die tollsten juwelen.
112 augenpaare schauen dich an – roboteraugen. was als farbenprächtiges, silbern schimmerndes collier daherkommt, erweist sich auf den zweiten blick als eines der hintersinnig-vielschichtigen schmuckbilder, mit denen sich unk kraus in der internationalen autoren-schmuckszene einen namen gemacht hat. seit 25 jahren beschäftigt er sich vor allem mit der frage, wie bild, skulptur und schmuck zusammengehen, um eine – im doppelten sinn – tragbare erzählung zu schaffen.
als unk kraus sich ende der 1980er jahre entschloss, seinen beruf als tierarzt an den nagel zu hängen, um eine ausbildung zum goldschmied zu machen, war dies nur die längst fällige konsequenz aus einer von jugend an existentiellen beschäftigung mit malerei, skulptur und readymades und seiner verehrung des großen marcel duchamp. so sind seit 1993 schmuckstücke entstanden, die allesamt ergebnisse einer suchbewegung zwischen angewandter und bildender kunst sind, deren synergie zeigend und als tragbarer schmuck eine direkte beziehung zwischen künstler und träger/in stiftend.
zuerst findet sich dies in seinen objekten aus traditionellen edelmetallen und schmucksteinen, schmuckskulpturen in verschiedenen gusstechniken. schon bald baut er um die skulpturalen schmuckelemente narrative szenerien in kästen: rorschachtest-kleckse und urzeit-formen, kompakt aus silber, schweben in transparenten, am computer generierten theaterkulissen.
nun der nächste schritt: wie können diese szenerien wieder als schmuck tragbar gemacht werden? wie gelingt es, die opulenz dessen, was unk kraus erzählen will, in tragbare schmuckobjekte zu verwandeln? um das gewicht von gold und silber zu reduzieren, bietet sich die verwendung von blattgold und blattsilber an. unk kraus experimentiert mit den möglichkeiten des klassischen fassens mit modernen thermoplastischen materialien und entwickelt mit einer stifteltechnik die möglichkeit, die so entstehenden schmuckstücke plastisch und beweglich zu halten.
seither entsteht mit diesem handwerklichen verfahren eine unglaubliche fülle an tragbaren szenerien: von der klassischen blumenwiese über die munich beauties genannten details der schönheitengalerie schloss nymphenburgs bis zu den theoretischen arbeiten mit anorganischen mustern und ornamenten. mit einer besonderen verspanntechnik gelingt es ihm, hochflexible armbänder zu konstruieren, die im »ruhezustand« als zweidimensionales bild eine blütenform darstellen.
nun wäre unk kraus nicht der, der er ist, wenn er diese neue schmucktechnik nicht zu einer kleinen ironie verwenden würde: im laufe der jahre entstehen großformatige goldketten, die jeden rapper in die knie zwingen würden und eine serie mit goldringen und -armbändern, die exakt angeben, wie viel cm² gold man nun am körper trägt. schmuck wird so zum schmuckzitat und bleibt dennoch eigenständiger schmuck.
konstruktion und dekonstruktion: diese vorgehensweise wird deutlich sichtbar an zwei projekten, die unk kraus neben seinen hauptlinien geschaffen hat. in dem einen sehen wir kunststoffverformungen mit silberfassungen als ketten, ringe und ansteckschmuck, meeres-anschwemmungen aus plastik, verformt durch hitze. er selbst sagt dazu anlässlich einer ausstellung in lissabon: »die idee hinter diesem projekt war, die kraft und energie der natur aufzuzeigen, die sich kulturelle errungenschaften des menschen wieder einverleibt. dieses projekt hat nichts mit recycling zu tun. der grund, zerstörtes plastik zu benutzen, war, seine natürliche schönheit zu entdecken. indem ich dem material ein höheres emotionales niveau gab (und um festzustellen, wie zufällig natur design schafft), versuchte ich, kulturelle schönheit wiederzugewinnen.«
das zweite projekt folgt einem ähnlichen ansatz: die auf handelsüblichen kartonverpackungen von südfrüchten befindlichen bilder des inhalts erweckt unk kraus zum »leben«, indem er sie isoliert, neu und beweglich zu großen ketten arrangiert. was eigentlich wertlos ist, nämlich das autorenlose bild der frucht auf der verpackung, bekommt durch die dekonstruktion eine eigene neue wertigkeit – mit einem humorvoll-ironischen augenzwinkern.
der gelingende künstlerische prozess erfordert konzentration und expansion – mit etwas glück können beide nebeneinander wachsen. waren die jahre 1993 bis 2007 die zeit eines hemmungslosen extrapolierens, wie viel text in ein collier zu implementieren möglich ist (und dementsprechend laut und bunt sind unk kraus arbeiten in der fläche und farbigkeit), so hat er seit 2008 eine weitere – kontrastierende aber absolut konsequente – linie geschaffen. weiter experimentierend in der frage thermoplastischer stoffe kommt unk kraus zu den poly-olefinen, die er z.b. zu klassischen nur schwarzen oder weißen königsketten verarbeitet, nicht ohne sie mit kleinen arabesken und ironien auszustatten – an einer klassisch gewirkten schwarzen kette hängt ein angry-boy-artefakt, ein hinweis auf das komplexe geschehnis im inneren: unk kraus’ schmuckstücke werden hier reduzierter, aber die kraft seiner erzählungen dringt durch die schwarz-weiße oberfläche.
(gekürzte und aktualisierte version eines textes von maria eschl, 2010)