wenn das sehen an seine grenzen stösst.
es ist kennzeichnend für das [...] vorgehen der wiener künstlerin ute huber-leierer, dass sie in breit angelegten zyklen arbeitet. programmatisch lotet sie dabei das jeweils selbst gesetzte thema [...] aus. sie spielt es durch in vielen variationen und schafft solcherart komplexe verweissysteme. das serielle vorgehen entspricht ihrem drang zum experiment. das programmatische hilft dabei der beschränkung. es führt zu einer konzentration im schaffen der künstlerin, die [...] schülerin von bazon brock und grete rader-soulek war. alle ihre arbeiten könnten auch für sich selbst stehen.
in ihren neuesten serien 1466 und touch screens setzt sich huber-leierer mit dem denken und dem schrifttum des universalgelehrten leon battista alberti (1404–1472) auseinander.
die benennung des einen zyklus mit 1466 bezieht sich auf die jahreszahl der erfindung der chiffrierscheibe durch alberti, die in der literatur allgemein als alberti-scheibe bezeichnet wird. alberti gehört zu den erstaunlichsten und widersprüchlichsten gestalten der italienischen renaissance. jacob burckhardt sieht in ihm in seiner kultur der renaissance eine verkörperung des »uomo universale«. alberti beherrschte alle sieben »artes liberales«, trat in seiner zeit aber vor allem als theoretiker der malerei, skulptur und architektur in erscheinung. und er gilt auch als »vater der kryptographie«. in seinem buch modus scribendi in ziferas beschrieb er erstmals die chiffrierscheibe. er nannte sie dort »formula«. mit ihr kann man im prinzip sämtliche monoalphabetischen substitutionschiffren bequem handhaben. ausserdem schlug er im kapitel 16 dieses buches vor, zwei monoalphabetische verschlüsselungen im wechsel zu benutzen, um so die häufigkeiten der buchstaben in klar- und geheimtext zu verändern. er hat also auch die von blaise de vigenère (1523–1596) verbreitete polyalphabetische verschlüsselung vorweggenommen.
huber-leierer greift das motiv dieser kreisrunden alberti-scheibe auf und dekonstruiert (codiert) diese auf ihre eigene art und weise. sie druckt die auf ihren scheiben in unzähligen kreisen angeordneten zeichenketten mehrfach und leicht verschoben übereinander, wodurch die bilder formal wellenartige erscheinungsformen und teils eine enorme plastizität erreichen. neben der eigenwilligen ornamentalen wirkung dieser siebdruck-arbeiten werden darin auch verbindungslinien zu den heute gängigen qr- (quick response) oder strichcodes evident.
(aus dem vorwort von karlheinz pichler zum katalog uomo universale, 2014. der autor ist als kunst- und kulturkritiker sowie als lyriker in zürich tätig.)