trinken wir zuerst eine tasse tee.
»zu einem alten zen-meister kam ein junger zen-schüler. der meister empfing ihn in seiner klosterzelle mit den worten: ›warst du schon einmal bei mir?‹ ›nein‹, erwiderte der schüler, ›ich bin zum ersten mal hier und möchte von euch die kunst der geistigen einkehr lernen.‹ ›gut‹, erwiderte der meister, ›dann trinken wir zuerst eine tasse tee.‹«
(aus: gelassenwerden. herder, 1996)
eva mayer hat sich der gebrauchskeramik verschrieben. von anfang an gab es nie zweifel, dass ton ihr künstlerisches und handwerkliches medium ist. ein material, das ganz unmittelbar aus der natur kommt – erdig, plastisch, formbar, sinnlich und sehr wandelbar in seiner existenz. [...] inbegriff der gebrauchskeramik ist das gefäß in seinen unterschiedlichen formen. wie der mensch ist es körper und raum, innen und außen und gehört seit jahrtausenden zu seinen lebens- und überlebensnotwendigen dingen. [...]
die raku-schalen verkörpern mit ihrer schwarzen krakelierung eine klare und strenge formensprache, ganz im geiste des zen. letztlich zu streng für eva mayer, die ihr »eigenes zen« in der oberflächengestaltung gefunden hat. wärmend und satt legt sich die rotbraune engobe über das schwarze krakelee. ihre erdene schwere vermittelt etwas von geborgenheit, wie der dumpfe, hölzerne klang, wenn man gegen die form schlägt.
neben erdigem taucht bereits im raku die vorliebe für die farbe grün auf, das gemeinsam mit gelb und ocker leichtes, frisches, fast frühlinghaftes evoziert. der farbdekor aus pinselspuren, tropfen und abstrakten organischen formen ist zurückhaltend, in einem harmonischen maß von fülle und leere. [...]
seit einigen jahren hat sich eva mayer auch dem porzellan zugewendet. es unterscheidet sich in seiner feinen, glatten, oft samtenen oberfläche vom spröden, rauheren ton. die keramikerin sieht sich am »anfang«, wenn sie davon spricht, dass das entwickeln des eigenen stils mit neuer masse und glasur in der keramik viele Jahre braucht.
trotzdem sind englisches porzellan und seladon »das herz« ihrer keramik geworden. schlichte blütenschalen entstehen durch eindrücken der ränder, eine der alten traditionellen methoden, die eva mayer gerne anwendet ebenso wie das fälteln der oberfläche. oft reicht ein leichtes drücken am weichen gefäß oder die kraft des feuers beim brennen, um die strenge, »leblose« (zitat eva mayer) symmetrie aufzubrechen. eine kaum spürbare unregelmäßigkeit, die doch so wesentlich ist für die schönheit, das lebendige des trinkgefäßes.
neben elfenbeinfarbigen oder weißen dünnwandigen schalen, die ein abstraktes linien- und flächendekor in auswaschtechnik zeigen, bevorzugt eva mayer dickwandiges, schweres porzellan. das zurückhaltende oder zarte seladon vermittelt einen harmonischen kontrast dazu. [...]
effekte, gekünsteltes sind dieser keramik fremd, das natürliche steht im mittelpunkt. die schönheit des einfachen. und dabei werden elementare ereignisse oder auch die kontemplative stille ihres entstehungsprozesses spürbar für uns, wenn wir die schalen gebrauchen. eva mayer gibt uns mit ihren trinkschalen die möglichkeit innezuhalten in die hand, und auch das macht ihre kostbarkeit aus.
(aus einem text von isolde wilding, 2014)