tausendundeine farbe.
die assoziation zu den orientalischen märchen liegt nahe, aber mir kommt fast unweigerlich christine bustas sternenmühle in den sinn: »wenn der mondmann geht ums haus, weht der schnee bald leiser. nur die rote feuermaus huscht noch durch die reiser.«
»my favourite piece of craft and i« hat der britische crafts council eine ausstellung im rahmen einer seiner jährlich veranstalteten messen genannt. darin haben menschen beschrieben, welchen gegenstand sie in ihrem täglichen leben nicht missen möchten und wie er ihre wahrnehmung verändert hat: die weiche kante eines glasierten keramikbechers, die den morgendlichen tee anders schmecken lässt, die brosche, die als talisman beschützt, der wandbehang, der seit jahrzehnten immer als erstes seinen platz in einem neuen zuhause findet.
mich begleitet seit mehr als 20 jahren eine decke von edda ruckenbauer-schaupp. sie liegt zusammengefaltet auf einer alten reisetruhe in meinem schlafzimmer und ihre leuchtenden farben, von rost und orange über violett bis petrol, erinnern mich daran, dass ich mir manchmal zeit nehmen sollte, mich auszuruhen. sie ersetzt mir in punkto gemütlichkeit den kachelofen, den ich mir seit jahren vergeblich wünsche, und macht eine knappe viertelstunde für eine tasse tee zu einer erholsamen pause.
die wolle für diese decken wird in einem holzbeheizten kessel gefärbt – 1001 farbe! – und in großzügigen karos und streifen zu einer 25 meter langen stoffbahn verwebt, die dann auf reisen geht. in schweden werden noch die getrockneten blütenstände von karden, an disteln erinnernde pflanzen, eingesetzt, um stoffe zu rauhen – auch wenn das wort (egal ob in alter oder neuer rechtschreibung) den wolligen flausch nicht wirklich gut beschreibt, den die mit karden besetzten walzen aus dem stoff herausbürsten, viel schonender als die heute fast überall verwendeten metallhaken es je könnten.
die ursprünglich im mittelmeerraum heimische karde wurde schon im 16. jahrhundert genutzt, um besonders weiche und feine gewebe herzustellen, zur vorbereitung (dem kardieren) der fasern vor dem spinnen oder zur veredelung des fertigen tuchs, und war so wichtig, dass sie als zunftzeichen der tuchmacher diente. in den hausbüchern der nürnberger zwölfbrüderstiftungen, die seit dem späten mittelalter geführt wurden, finden sich frühe illustrationen zur verwendung der weberkarde: ein tuchrauher, der mit handkarden eine herabhängende stoffbahn bearbeitet, oder ein kardenmacher, der die stacheligen blütenstände in ein gestell einsetzt. die mit karden besetzten rauhmaschinen des frühen 20. jahrhunderts sehen weniger handzahm aus und ähneln den geräten, mit denen heute in schweden gearbeitet wird.
das ergebnis rechtfertigt den aufwand und ist neben meinen kaffeehäferln aus der töpferei radl »my favourite piece of craft«. wenn ich darüber nachdenke: der neue ruckenbauer-teppich unter meinem arbeitstisch drängt sich irgendwie dazwischen. aber das ist eine andere geschichte.